Salzburg: Die Wiederentdeckung der Langsamkeit
Heute morgens, genau um 8:31, hat mich ein Busfahrer der Linie 5 im schönen Städtchen Salzburg doch sehr zum Grübeln gebracht:
Bei der Haltestelle Mozartsteg verlässt der gute Mann seine Fahrerkabine, und die Wienerin in mir flucht innerlich über den Zeitverlust ("Ein Fahrerwechsel! Das auch noch! Warum passiert das eigentlich immer nur, wenn ich es eilig habe?"). Aber siehe da - der Ersatzmann kommt nicht. Als ich ungehalten aus dem Fenster blicke ("Jetzt stehen wir hier schon fünf Minuten! Das gibts ja nicht! Können die sich das nicht besser einteilen? In Wien würden wir schon längst wieder fahren!"), erblicke ich den guten Mann durch die offene Tür in der Bäckerei Flöckner bei der angeregten Unterhaltung mit der Verkäuferin. Die Großstädterin in mir tobt. ("Das darf doch bitte nicht wahr sein!") Mit meinem Spezialblick, der töten könnte und es bisweilen auch tut, blicke ich mich im Wageninneren nach jemandem um, der diese Vorgänge mindestens so zum Aus-der-Haut-fahren findet wie ich ("Räsonieren die SalzburgerInnen denn sonst nicht über alles? Das ist doch die Stadt, in der die Erwachsenenversion des Manneken Pis für einen nicht enden wollenden Skandal gesorgt hat, bis sie schließlich zuerst züchtig bedeckt und dann ins sündige Wien abtransportiert wurde! Also! Wo bleibt die Empörung bei gebürendem Anlass?"), werde aber nicht fündig. Es scheint fast, als würden meine lieben Mitreisenden das völlig normal finden. Sie blicken weiter völlig unbeteiligt vor sich hin, als sich des Chauffeurs Morgenpläuscherl noch weitere fünf Minuten hinzieht und verziehen keine Miene, als er schlussendlich mit Kaffee und Kuchen herüberbummelt ("Das ist ja wohl die Höhe!") und die Fahrt wieder gemächlich aufnimmt.
Auf der Rückfahrt - wiederum habe ich es eilig - passiert mir dasselbe bei der Haltestelle Äußerer Stein, nur, dass es diesmal ein Lottoschein und ein Packerl Zigaretten sind, die den Lenker aus seiner Kabine locken. Wieder führt das zu keinerlei Unmutsbezeugungen meiner Mitfahrgäste. Jetzt kann ich es nicht lassen - ich suche mir ein passendes Opfer, eine verhärmt aussehende ältere Dame mit grimmigem Zug um den Mund, und teile ihr empört und unterstützungsheischend den Grund für die Verzögerung mit. Doch was hören meine ungläubigen Ohren? Die Dame lächelt und beginnt den Fahrer in Schutz zu nehmen!
Heute, um genau 16:23, hat mich meine Umwelt in fassungsloses Staunen versetzt. Jetzt hatte ich ein paar Stunden zum Verdauen, und mir drängt sich langsam der Verdacht auf, dass nicht sie sich abnorm verhält, sondern ich.
Gewissen Tätigkeiten sollte eine Warnung des Gesundheitsministeriums beiliegen: Länger andauernder Stress kann Ihre Persönlichkeit verändern!
- Antonina -
Bei der Haltestelle Mozartsteg verlässt der gute Mann seine Fahrerkabine, und die Wienerin in mir flucht innerlich über den Zeitverlust ("Ein Fahrerwechsel! Das auch noch! Warum passiert das eigentlich immer nur, wenn ich es eilig habe?"). Aber siehe da - der Ersatzmann kommt nicht. Als ich ungehalten aus dem Fenster blicke ("Jetzt stehen wir hier schon fünf Minuten! Das gibts ja nicht! Können die sich das nicht besser einteilen? In Wien würden wir schon längst wieder fahren!"), erblicke ich den guten Mann durch die offene Tür in der Bäckerei Flöckner bei der angeregten Unterhaltung mit der Verkäuferin. Die Großstädterin in mir tobt. ("Das darf doch bitte nicht wahr sein!") Mit meinem Spezialblick, der töten könnte und es bisweilen auch tut, blicke ich mich im Wageninneren nach jemandem um, der diese Vorgänge mindestens so zum Aus-der-Haut-fahren findet wie ich ("Räsonieren die SalzburgerInnen denn sonst nicht über alles? Das ist doch die Stadt, in der die Erwachsenenversion des Manneken Pis für einen nicht enden wollenden Skandal gesorgt hat, bis sie schließlich zuerst züchtig bedeckt und dann ins sündige Wien abtransportiert wurde! Also! Wo bleibt die Empörung bei gebürendem Anlass?"), werde aber nicht fündig. Es scheint fast, als würden meine lieben Mitreisenden das völlig normal finden. Sie blicken weiter völlig unbeteiligt vor sich hin, als sich des Chauffeurs Morgenpläuscherl noch weitere fünf Minuten hinzieht und verziehen keine Miene, als er schlussendlich mit Kaffee und Kuchen herüberbummelt ("Das ist ja wohl die Höhe!") und die Fahrt wieder gemächlich aufnimmt.
Auf der Rückfahrt - wiederum habe ich es eilig - passiert mir dasselbe bei der Haltestelle Äußerer Stein, nur, dass es diesmal ein Lottoschein und ein Packerl Zigaretten sind, die den Lenker aus seiner Kabine locken. Wieder führt das zu keinerlei Unmutsbezeugungen meiner Mitfahrgäste. Jetzt kann ich es nicht lassen - ich suche mir ein passendes Opfer, eine verhärmt aussehende ältere Dame mit grimmigem Zug um den Mund, und teile ihr empört und unterstützungsheischend den Grund für die Verzögerung mit. Doch was hören meine ungläubigen Ohren? Die Dame lächelt und beginnt den Fahrer in Schutz zu nehmen!
Heute, um genau 16:23, hat mich meine Umwelt in fassungsloses Staunen versetzt. Jetzt hatte ich ein paar Stunden zum Verdauen, und mir drängt sich langsam der Verdacht auf, dass nicht sie sich abnorm verhält, sondern ich.
Gewissen Tätigkeiten sollte eine Warnung des Gesundheitsministeriums beiliegen: Länger andauernder Stress kann Ihre Persönlichkeit verändern!
- Antonina -
wienermischung - 28. Aug, 20:49