Daunenschön und Gänsefein
In der heutigen Ausgabe des Standard findet sich ein Artikel über das Sozialverhalten der Lorenzschen Graugänse. Besonders betont darin wird die Zivilstatuskomponente des weltweit besterforschten Federviehs. Beispielsweise soll es doch tatsächlich unter den klassisch als lebenslang treu verschrienen Piepmatzen auch Singles geben (sic!), und zwar entweder, weil sie "einfach niemand haben will oder die auch selbst keinen Partner wollen", sagt zumindest Verhaltensforscherin (sic!) Isabella Scheiber auf die Frage, wieso bestimmte Weibchen "übrig bleiben", und das in einer Gänsegesellschaft mit klassischem Ganterüberschuss und somit einer breit gefächerten Auswahlmöglichkeit für künftige Gänsemütter.
Artikelverfasserin Doris Griessner präsentiert die neuesten Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der Graugansforschung bereits eingangs im ersten Absatz wie folgt: "So konnten Wissenschafter (sic!) von der Konrad Lorenz Forschungsstelle für Ethnologie kürzlich nachweisen, dass die ungebundene Lebensform sogar (sic!) bei Graugänsen den Stresspegel deutlich ansteigen lässt." Demnach haben die Lorenzschen Lieblinge weniger Stress, wenn sie auf mindestens drei Jungtiere in ihrer Kernfamilie verweisen können. Vor allem der soziale Status des jungen Weibchens würde dadurch aufgewertet, denn diese befänden sich nach dem Erwachsenwerden auf der alleruntersten Hierarchieebene. Weiters profitierten von etwaigem sozialen Engagement der Gruppe nur Pärchen oder Familien, denn " Singles haben von keinem aus der Gruppe Trost zu erwarten". Der Unterschied zwischen Gänsen und Primaten sei minimal, so das Fazit der Wissenschafterin am Ende des halbseitigen Artikels im sechsseitigen lachsrosa Forschung spezial.
Well, well. Die Neuigkeiten aus der Graugansforschung werden von zwei Frauen - einer Autorin und einer befragten Wissenschafterin - getragen. Wie aber kommt es, dass die Forschungsnachricht einer Leserin das Gefühl gibt, es werde hier (unter Zuhilfenahme von scheinbar harmlosen Situativen wie "sogar" und diverser anderer Stilmittel) nicht nur von Gänsen gesprochen? Auf ganz subtile, und der Autorin tragischerweise vielleicht nicht einmal bewußte Art wird hier ein Gesellschaftsbild nicht der Graugänse gezeichnet, sondern durch den ständigen Verweis auf die kaum vorhandenen Verhaltensunterschiede zu den Primaten auch eines von den mißratenen Cousins und Cousinen letzterer, nämlich - uns.
Übertreibe ich jetzt? Es geht um den Subtext, und der beeinflußt eine Gesellschaft in einem größtmöglichen Ausmaß, richtet er sich doch an unser Unterbewußtsein, das ihn, vom Intellekt unhinterfragt, aufnimmt, verdaut und ihn unserer unbewußten Wahrnehmung zuspeist. Nur ein winzigkleiner Mosaikstein, aber Teil der Konditionierung. Wenn diese Verantwortung noch nicht einmal Verhaltensforscherinnen und Journalistinnen bewußt ist, wem dann?
Celia
Artikelverfasserin Doris Griessner präsentiert die neuesten Forschungsergebnisse auf dem Gebiet der Graugansforschung bereits eingangs im ersten Absatz wie folgt: "So konnten Wissenschafter (sic!) von der Konrad Lorenz Forschungsstelle für Ethnologie kürzlich nachweisen, dass die ungebundene Lebensform sogar (sic!) bei Graugänsen den Stresspegel deutlich ansteigen lässt." Demnach haben die Lorenzschen Lieblinge weniger Stress, wenn sie auf mindestens drei Jungtiere in ihrer Kernfamilie verweisen können. Vor allem der soziale Status des jungen Weibchens würde dadurch aufgewertet, denn diese befänden sich nach dem Erwachsenwerden auf der alleruntersten Hierarchieebene. Weiters profitierten von etwaigem sozialen Engagement der Gruppe nur Pärchen oder Familien, denn " Singles haben von keinem aus der Gruppe Trost zu erwarten". Der Unterschied zwischen Gänsen und Primaten sei minimal, so das Fazit der Wissenschafterin am Ende des halbseitigen Artikels im sechsseitigen lachsrosa Forschung spezial.
Well, well. Die Neuigkeiten aus der Graugansforschung werden von zwei Frauen - einer Autorin und einer befragten Wissenschafterin - getragen. Wie aber kommt es, dass die Forschungsnachricht einer Leserin das Gefühl gibt, es werde hier (unter Zuhilfenahme von scheinbar harmlosen Situativen wie "sogar" und diverser anderer Stilmittel) nicht nur von Gänsen gesprochen? Auf ganz subtile, und der Autorin tragischerweise vielleicht nicht einmal bewußte Art wird hier ein Gesellschaftsbild nicht der Graugänse gezeichnet, sondern durch den ständigen Verweis auf die kaum vorhandenen Verhaltensunterschiede zu den Primaten auch eines von den mißratenen Cousins und Cousinen letzterer, nämlich - uns.
Übertreibe ich jetzt? Es geht um den Subtext, und der beeinflußt eine Gesellschaft in einem größtmöglichen Ausmaß, richtet er sich doch an unser Unterbewußtsein, das ihn, vom Intellekt unhinterfragt, aufnimmt, verdaut und ihn unserer unbewußten Wahrnehmung zuspeist. Nur ein winzigkleiner Mosaikstein, aber Teil der Konditionierung. Wenn diese Verantwortung noch nicht einmal Verhaltensforscherinnen und Journalistinnen bewußt ist, wem dann?
Celia
wienermischung - 27. Dez, 13:31