28
Aug
2007

Salzburg: Die Wiederentdeckung der Langsamkeit

Heute morgens, genau um 8:31, hat mich ein Busfahrer der Linie 5 im schönen Städtchen Salzburg doch sehr zum Grübeln gebracht:
Bei der Haltestelle Mozartsteg verlässt der gute Mann seine Fahrerkabine, und die Wienerin in mir flucht innerlich über den Zeitverlust ("Ein Fahrerwechsel! Das auch noch! Warum passiert das eigentlich immer nur, wenn ich es eilig habe?"). Aber siehe da - der Ersatzmann kommt nicht. Als ich ungehalten aus dem Fenster blicke ("Jetzt stehen wir hier schon fünf Minuten! Das gibts ja nicht! Können die sich das nicht besser einteilen? In Wien würden wir schon längst wieder fahren!"), erblicke ich den guten Mann durch die offene Tür in der Bäckerei Flöckner bei der angeregten Unterhaltung mit der Verkäuferin. Die Großstädterin in mir tobt. ("Das darf doch bitte nicht wahr sein!") Mit meinem Spezialblick, der töten könnte und es bisweilen auch tut, blicke ich mich im Wageninneren nach jemandem um, der diese Vorgänge mindestens so zum Aus-der-Haut-fahren findet wie ich ("Räsonieren die SalzburgerInnen denn sonst nicht über alles? Das ist doch die Stadt, in der die Erwachsenenversion des Manneken Pis für einen nicht enden wollenden Skandal gesorgt hat, bis sie schließlich zuerst züchtig bedeckt und dann ins sündige Wien abtransportiert wurde! Also! Wo bleibt die Empörung bei gebürendem Anlass?"), werde aber nicht fündig. Es scheint fast, als würden meine lieben Mitreisenden das völlig normal finden. Sie blicken weiter völlig unbeteiligt vor sich hin, als sich des Chauffeurs Morgenpläuscherl noch weitere fünf Minuten hinzieht und verziehen keine Miene, als er schlussendlich mit Kaffee und Kuchen herüberbummelt ("Das ist ja wohl die Höhe!") und die Fahrt wieder gemächlich aufnimmt.
Auf der Rückfahrt - wiederum habe ich es eilig - passiert mir dasselbe bei der Haltestelle Äußerer Stein, nur, dass es diesmal ein Lottoschein und ein Packerl Zigaretten sind, die den Lenker aus seiner Kabine locken. Wieder führt das zu keinerlei Unmutsbezeugungen meiner Mitfahrgäste. Jetzt kann ich es nicht lassen - ich suche mir ein passendes Opfer, eine verhärmt aussehende ältere Dame mit grimmigem Zug um den Mund, und teile ihr empört und unterstützungsheischend den Grund für die Verzögerung mit. Doch was hören meine ungläubigen Ohren? Die Dame lächelt und beginnt den Fahrer in Schutz zu nehmen!

Heute, um genau 16:23, hat mich meine Umwelt in fassungsloses Staunen versetzt. Jetzt hatte ich ein paar Stunden zum Verdauen, und mir drängt sich langsam der Verdacht auf, dass nicht sie sich abnorm verhält, sondern ich.

Gewissen Tätigkeiten sollte eine Warnung des Gesundheitsministeriums beiliegen: Länger andauernder Stress kann Ihre Persönlichkeit verändern!

- Antonina -

Pension Ötscherhof

Jetzt ist leider Schluss mit Reisen.... zum Abschluss noch ein Tipp für Wanderer und andere Bergbegeisterte:

Die freundliche Pension Ötscherhof in Lackenhof am (no na) Ötscher, ein sehr gastfreundliches Haus mit einem äußerst netten Wirt'n und schönen, großen Appartements. Sehr zu empfehlen!

Das ist das Mountainbiken am Ötscher auch, trotz der teils exorbitanten Steigungen und einiger noch nicht ganz erschlossener Routen. Ein Minus war, dass manche Touren wegen Holzarbeiten ganz gesperrt waren, ein Plus die wunderschöne Strecke von Lunz nach Gaming an den Bahngleisen des Ötscherland-Express entlang. Und dann zurück mit der Dampfeisenbahn. Schnauff!

tina

22
Aug
2007

Latvija - Lettland

Latvija war der Grund meines zweiwöchigen Untertauchens, und schön war's im eiskalten Meer des Rigaer Beckens, schön am Sandstrand und im Wald. Sonst gibt es ja glücklicherweise nicht viel in diesem sehr dünn besiedelten Land im Baltikum. Die wenigen Städte waren verschlafen, nur Riga tanzte tags und nachts und nicht zu selten uns mit teuren Hotelpreisen auf der Nase herum.

Und so sieht's am Strand Kurzemes aus:
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Zum Essen gibt's Touristenfrühstück - ja, das heißt tatsächlich so. Drinnen ist Rind- und Schweinefleisch als grobe Pastete.
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Ein typisches, hübsches Holzhaus in Cesis (meine Lieblingsstadt in Lettland):
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Ein Glanzlicht des von Pflanzen überwucherten Militärflugzeugmuseums am Flughafen von Riga, das eine sehr schräge Atmosphäre besitzt:
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tina

7
Aug
2007

Odyssée viennoise

Manchmal kommt unsereiner einfach nicht heim, da kann ich den ein paar Millennien älteren Mann von der meines Wissens immer noch nicht lokalisierten Insel Ithaka schon verstehen. Nur hatte der es definitiv besser: ein paar seiner Freunde/Kollegen/Untertanen wurden von einem Zyklopen verspeist, ein paar andere sind ertrunken, er aber hat sich ewig lang von irgendwelchen schönen Frauen aushalten lassen.
Ich wiederum weiß jetzt ganz genau, welche Straßen im Planquadrat Schmelz Einbahnstraßen und welche 30er-Zonen sind, welche karrosseriegefährdende Schwellen besitzen, wieviele Banken und (aufgelassene) Friseure es dort gibt, dass die autofahrenden WienerInnen eher alle zur allgemeinen Sicherheit eingesperrt gehören und die RadfahrerInnen ebenso (allerdings in eine andere Zelle, sonst könnte das wieder gefährlich werden), dass man eigentlich einen FußgängerInnenschein machen müssen sollte. Ich habe insgesamt 11 verschiedene Theorien entwickelt, weshalb die Oeverseestraße Oeverseestraße heißt, und kenne jetzt 11 Routen, die mich nicht problemfrei von A nach B bringen. Und das alles ohne tröstende Arme irgendwelcher Zauberer, Quellnymphen (wie heißt da die männliche Entsprechung?) oder schöner Königskinder.
Ich geh mich jetzt beim Salzamt beschweren. Hoffentlich ist die Schlange nicht all zu lang.

- Antonina -

6
Aug
2007

Istanbul im Groben

In einer Woche sieht man / frau viel und doch so wenig von der 15 Millionen-Metropole am Bosporus. Am meisten Eindruck hinterlies bei mir die Rush Hour um 2 Uhr früh, die uns von einem Klub in den nächsten begleitete. Und dann waren da noch die Märkte mit Bergen von Textilien und den Marktschreiern oben drauf. Besonders herrlich: Der Stapel BHs, in dessen Mitte ein Mann Qualität und Design seiner Ware lobte :)

Am Rande: Als unser Flugzeug wieder in Wien landete, wurden alle Passagiere bereits an der Reling kontrolliert. Wer türkisch, männlich, jung aussah, wurde kritisch beäugt, Frauen wie wir allerdings lässig durchgewunken....
Spätestens an der Gepäcksausgabe waren wir aber wieder alle gleich: Jeder dritte Koffer stammte aus der letzten Aktion eines großen Diskontsupermarkts, Verwechslungen vorprogrammiert.

tina

31
Jul
2007

Säuren, Basen - und andere Cousinen

Ich wollte bitte schon immer eine Cousine haben. Mit diesem hübschen französischen Wort hab ich allerlei Romantisches verbunden: eine weitere Schwester, die frau aber an deren Kernfamilie retournieren kann, wenn sie im eigenen Dunstkreis zu sehr stört, kurzweilige Ablenkung bei langwierigen Familienfeiern, und vieles mehr, was mir die einschlägige Kinder- und Jugendliteratur an erstrebenswert abenteuerlichem in den Kopf gesetzt hat.
Eigentlich hab ich sogar eine. Sie ist rund zwei Jahrzehnte älter als ich, und bei einer der fünf Gelegenheiten in meinem aktiven Gedächtnis, zu denen wir uns gesehen haben, wollte sie mir ihre Barbiepuppensammlung, der sie sich Mitte zwanzig dann doch entwachsen fühlte, aufdrängen ( das war aber sicherlich gut gemeint).
Sie entsprach so überhaupt nicht meinem Bild, dass ich offiziell seit vielen Jahren überhaupt keine Cousine habe. Und über das Auftauchen der Enkelin der Cousine meiner Oma schließlich so erfreut war, um aus der großen eine einfache Cousine zu machen.

Nach einem derart freizügigen Umgang mit meinen Verwandschaftsverhältnissen war ich neulich völlig überfordert, als ich eine entfernte weibliche Verwandte meines Sargnagels im Verhältnis zu ihm und seiner Mutter bezeichnungsmäßig dingfest machen musste: wenn jemand die Tochter eines Cousins der Mutter ist, was ist die dann zu eben dieser Mutter und ihrem Nachwuchs? Großcousine erschien mir so logisch, bis mir in einer hitzigen Debatte auseinandergesetzt wurde, Mutter und Sohn könnten NIEMALS den selben Verwandschaftsstatus zu einer anderen Person pflegen, weshalb aus der Mutter dann eine Tante zu werden hat. Einleuchten will mir noch immer nicht ganz, weshalb das so ist. Ich empfinde das als Sache des Standpunkts. Definiere ich das Verhältnis mit Fokus auf die unterschiedlichen Generationen, wird wohl aus der Mutter anstatt einer Cousine eine Tante, definiere ich das Verhältnis nach dem ursprünglichen Verwandschaftsverhältnis der beiden Zweigfamilien, wäre die Mutter eine große Cousine und ihr Sohn ebenfalls, wenn man nur nicht vergißt, ihm das "e" wegzunehmen. Gegebenenfalls kommen dann diese zweiten und dritten Grade ins Spiel, die ich schon als Kind nicht verstanden habe. Angeblich ist meine Cousine vierten Grades schnell einmal wer, und fünften Grades so gut wie jede. Dann ist das ja wieder Sache des Standpunkts, ob ich das dann anerkennen will oder nicht.

Hm. Willst du meine anerkannte Cousine sein?

Lebensläufe nehme ich jederzeit entgegen!

-Antonina

23
Jul
2007

"Mädchen

mach dir Locken, dann bleibst du nicht hocken!" (M.s Großmutter)
"Liebe geht durch den Magen." (T.s Großmutter)
"Sei wie das Veilchen im Moose, bescheiden, sittsam und rein. Nicht wie die stolze Rose, die immer bewundert will sein" (Mein Poesiealbum)

Wer bietet mehr?

tina

19
Jul
2007

Rechtssprechung im Stil der 50er

Ein aktuelles Urteil zur Karenz (nachzulesen auf standard.at) zementiert bestehende Geschlechterverhältnisse. Die Ausgangssituation: Einer ArbeitnehmerIn wurde nach ihrer Babypause eine Anstellung nur mehr im Ausmaß von 5 Wochenstunden angeboten - was an sich schon an Frotzelei grenzt. Diese 5 Stunden wären zusätzlich noch schlechter bezahlt als ihre frühere Tätigkeit im Unternehmen. Sieht von ferne betrachtet ein wenig nach Diskriminierung aus. Das Arbeits- und Sozialgericht Wien, vor dem die Causa landete, sieht das aber anders:
Alles rechtens, so der Urteilsspruch. Immerhin verdiene ja der Ehemann der ArbeitnehmerIn genug, um für das Auskommen der Familie Sorge zu tragen.
Heißt das jetzt, dass Diskriminierung von Müttern im Job eh ok ist, wenn es einen (männlichen) Erhalter gibt? Dieses Urteil führt die rechtliche Umsetzung sämtlicher halbe-halbe Regelungen bei der Kinderbetreuung ad absurdum; schließlich siegt ja doch ein Familienbild der 50er....

tina

12
Jul
2007

Helmi ist da

Radfahren mit Helm ist klüger und schützt den Kopf. Immer mehr Wiener kommen mir obenrum gepanzert entgegen, wenn ich mit schwacher Hinterbremse und flatternden Haarsträhnen den Straßenbahnschienen ausweiche.
Ich hab ja einen Helm. Der liegt gemütlich im Regal und fungiert als Licht-Halter (ja, die Fahrradlichter sollte ich auch häufiger mitnehmen) und Batteriensammler. Und er drückt ganz fürchterlich auf meine eh nur marginal voluminösen Haare und zerstört jeden Anflug von Frisur auf's Grausamste.
Und wider Erwarten finde ich mich in der Rolle der Tussi, die wegen Äußerlichkeiten auf klugen Schutz verzichtet...
Doch halt: Ist es nicht ein Symbol an alle Autofahrer und -innen, gefälligst vorsichtig zu fahren, wenn frau ohne Helm daherkommt? Sorgt es nicht für mehr Achtsamkeit im Straßenverkehr, schützende Einrichtungen zu boykottieren? Der nächste logische Schritt wäre eine Gehsteigvertiefung auf Straßenniveau, um die Vorsicht der AutofahrerInnen zu erhöhen. Also: Stürmt die Randsteine!
tina